Tödlicher Unglücksfall

An eben diesen Tage, als den 9ten September (1774), zwischen 5 und 6 Uhr gegen Abend geschah abermals ein schreckensvoller Todesfall, indem der hiesige Andrich, Christian Tonke im Klinkan, als er mit dem Dix zugleich zum Hofedienst Leim (Lehm) gegraben, von der herabfallenden Erde verschüttet und plötzlich getötet worden.

Da ich eine halbe Stunde vorher bey beiden gewesen, die Arten des Leimes betrachtet, nahe dran gestanden und auch von den Herabfallen des oberen Erdreichs gesprochen, weil aber alles sehr trocken und dem Vermuten nach feste stehen würde, hat man nicht geglaubt, daß der Oberteil so schnell nachschütten würde. Ich bin hierauf, weil mein Knecht eine Klafter Holz an der Babbenschen Grenze nach dem Crinitz`schen Wege zu holen sollte, mit und von da weggegangen, und habe, weil eine Klafter umgefallen war, dem Knecht die selbe zu laden, angewiesen, auch mit laden helfen.

Hierauf fährt der Knecht den Crinitz`schen Weg nach Hause und ich gehe auf dieser Seite, daß ich wieder nicht weit von den Leimküten vorbey nahe an ein Acker kommen muß. Wie ich nun gegen das Stück Acker, daß an die Leimküten stößt gehe, fängt Dix an zu rufen, und zwar mit einer sehr kräftigen Stimme. Ich stehe stille, und horche, und da er fort schreiet, trete hinzu, und finde diesen über und über mit Erde bedeckt, und den Andrich ganz verschüttet; Dix, der auch ganz vergraben geworden, hatte sich doch noch mit dem Kopf durchgearbeitet, um Hilfe rufen zu können. Voll Erschrecken rufte sogleich meinen Knecht, der fast bis an Hüttemanns Haus heran war, und dieser schrie wieder, damit andere dennoch herbey gerufen werden möchte.

Wir arbeiten uns an den noch lebenden Dix, um ihn zu retten, augenscheinlich Andrich ist todt. Hinzu kam nun noch der Hirte und der Hüttmann, welcher vom Cal. Schweinemarkt gleich nach Hause kam, einer mußte im Dorfe Lerm machen, und dieser halt schleunig graben. Wir erretteten endlich Dixen, und als mehrere Leute hinzu eilten, und nach dem Andrich suchten, wurde dieser zwar bald entdeckt, in dem Hand und Kopf sogleich ausgegraben ward, allein alles todt, und nachdem er ganz von der Last der Erden befreiet worden, fand sichs, daß das Kreuz, ein Bein und im Leibe alles zerbrochen war.

So endete ein Mann, der von jedermann das Zeugnis  eines recht frommen Wandrers erhielt, sein Leben, und zwar unvermuthet plötzlich und in den besten Jahren! Sonntags darauf, als Dom: XN. p. Trinit. wurde er mit einer Leichenpredigt unter Vergießung tausender Ehrens beerdigt. Mein ganzes Sonntags Gedencken Vor und Nachmittags war den Christen die Pflicht zu schärfen, bey der über unser Leben waltenden Vorsorge Gottes täglich an sein Lebens Ende zu gedenken. Es ist leicht zu erachten, wie vielen Eindruck in aller Gemüther dieser traurige Endesfall gegeben hat, da man sichs kaum vorstellen können, daß ein Mensch bey gar nicht gefährlich scheinenden Umständen getödtet werden kann.

Und wie ich oben gemeldet, selbst zugegen gewesen, und nur etwa eine halbe Stunde weg bin, und sich in dieser kurzen Zeit der betrübtste Zufall ereignen muß, wie viel Entsetzen und Schrecken in uns entstanden ist, daß es kein Wunder gewesen, ich wär selbst davon betroffen worden. Doch Gott sey ewig gelobt, der mich hierinnen gestärket und gelenkt, den noch lebenden in der äußersten Gefahr stehenden Dix zu retten und schläunigs Hilfe zu schaffen. Mir ist Barmherzigkeit besonders widerfahren, der ich vorher so nahe daran gestanden, und weil es eben der Pfarr Acker ist, auch am  Loch zu gewesen, daß man nicht dicht am Acker Leim (Lehm) graben möge, wie leicht hätte sich der Erdwall zu eben dieser Stunde und Minute losreißen und uns verschütten können.

Ewig ewig sey o liebhaber des Lebens Dank gesagt, und daß Du auch den Dix gerettet, welcher zwar am Bein sehr zerquetscht, doch durch Deine Gnade gesund und unverletzt an Gliedern wiederhergestellt worden.

 

Den 14ten September wurde der verwitbeten hiesigen Andrich, deren Mann vor 5 Tagen, wie das Todten-Register belehret, von Leim und Erde erstickt worden, und die in solchen betrübten Fall doch glücklich ihrer Leibes Bauch erledigt wurde, und zwar mit einem Töchterlein entbunden, gedachtes Kind mit Namen Johanna Christiana getauft. In Betracht des geschehenen Unglücksfalles entschloßen sich hiesige gnädige Herrschaft die Stelle des Vaters persönlich zu vertreten. Es waren also Gevatter (Paten):

  1. Unsere gnädige Frau Kirchen-Patronin, die hochwohlgebohrene Frau Christina Carolina Concordia von Walther und Croneck.
  2. Unser gnädiger Herr Kirchen-Patron, der hochwohlgebohrene Herr Johann Carl Gottlob von Walther und Croneck, der Churfürstl. Durchlauch. Landsyndicus und Landesgerichts-Assessor dieses Marggrafthum  Niederlausitz.
  1. Und die gnädige Fräulein Schwester des Herrn Land-Syndicus, hochwohlgebohrene gnädige Frl. Frl. Johanna Tugendreich von Walther und Croneck.

Johann Christian Meister, Pastor zu Groß-Mehßow.

Kirchenbuch Groß-Mehßow 1774.