Die Niederlausitz ist eine historische Landschaft. Sie ist kein Land, war es nie gewesen. Sie war zwar einst Markgrafentum, jedoch bald zersplittert, aufgeteilt unter seine mächtigeren Nachbarn Preußen und Sachsen. Die Menschen, die hier lebten, fühlten sich auch in vergangener Zeit erst einmal als Preußen oder Sachsen und dann vielleicht auch noch als Niederlausitzer. Heute ist man Brandenburger, holt man weit aus dann wohl auch Pole. Niederlausitzer kaum. Und dennoch hat das Land eine unverwechselbare Geschichte, ein eigenes Gesicht.
Das Gebiet der Niederlausitz hat eher fließende Grenzen und es wundert nicht, dass es über deren Verlauf durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt. Das liegt vor allem auch daran, dass es schon seit Jahrhunderten aufgeteilt war, kein einheitliches Land darstellte. Die preußischen Teile wurden aus preußischer Sicht nicht mehr der Niederlausitz zugerechnet. Statistische Dokumente zur Niederlausitz lagen im sächsischen Archiv zu Lübben und schlossen die preußischen Teile aus. Historische Untersuchungen zur Niederlausitz beschränken sich daher nur all zu gern auf deren sächsischen Teil. Dennoch sollen Grenzlinien gezogen werden, welche die ganze Niederlausitz als Einheit ausweisen.
Zunächst zum Norden der Landschaft. Hier verläuft die Grenze etwa mit dem Spreelauf, welcher sich bei Fürstenwalde nach Westen auf Berlin zu bewegt. Verlängern wir eine gedachte Linie nach Osten bis zur Oder, und gehen wir der Spree nach auf Berlin zu, dann haben wir etwa die Nordgrenze der Niederlausitz beschrieben.
Danach zum Westen. Hier verbinden wir Zossen durch eine gerade Linie mit Bad Liebenwerda. Alles was östlich dieser Linie liegt, rechnen wir dieser Niederlausitz zu. Daß manches davon strittig ist, soll uns nicht stören.
Im Süden begrenzt unsere Niederlausitz der Lauf der Schwarzen Elster. Dort wo dieselbe an das Niederlausitzer Heideland stößt, verlängern wir ihren Lauf durch eine gedachte Linie nach Osten, die die Oder überschreitet bis zur Niederschlesischen Heide (Bory Dolnostonskie) führt. Damit haben wir etwa die südliche Grenze beschrieben.
Im Osten begrenzt der Bober (Bobr) das Land, dort wo diese in die Oder eintritt bildet dann jene die Grenze.
Den Kern des Landes durchschneidet der Spreelauf. Die Spree, ist der Fluß der Niederlausitz. Sie ist der Fluß, der dem Land über weite Strecken seine Gestalt und seine Mythen gibt. Ihr Charakter wird geprägt durch das flache Land, daß dem Wasser nur widerwillig Gefälle bietet, mit sandigen Höhen auch noch Barrieren bildet, die den Wasserlauf zu mannigfachen Windungen zwingen. Eben dieses geringe Gefälle und die Sandbarrieren lassen das Wasser der Spree unterhalb Cottbus in einem Binnendelta in viele Fließe auseinanderlaufen.
Da ist zunächst der Oberspreewald, welcher, nachdem der Fluß (besser die Fließe) Lübben erreich hat, in den Unterspreewald eintritt. Dieses Binnendelta hemmte den Abfluß des Frühjahrs- und Sommerhochwassers derart, daß in alter Zeit weite Flächen in diesem Raum überschwemmt wurden. Zu jener Zeit, vor den Meliorationen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist dieses Gebiet eine weitgehend unpassierbare Sumpf- und Bruchlandschaft gewesen, die das Land in der West-Ostrichtung, etwa vom Cottbuser Raum aus bis hinauf nördlich des Unterspreewaldes, in den Raum um Leibsch, weitgehend unpassierbar machte. Zu Zeiten des Hochwassers der Spree dürfte sich diese Unpassierbarkeit noch um ein deutliches Stück nach Norden, bis zur Wende der Spree nach Osten verschoben haben.
Diese Eigenart des Flusses wird verstärkt durch die bereits oben erwähnten sandigen Erhebungen, die dem Fluß immer wieder den Weg verlegen, so daß er zu einer Vielzahl von Kehren und Wenden gezwungen ist. Diese Kehren und Wenden des Flusses sind derart charakteristisch, daß sie dem Landstrich den Namen: Krummspreeischer Kreis gaben. Was das geringe Gefälle allein schon an Sumpf und Bruch bewirkte, das wurde durch diesen sich windenden Flußlauf noch verstärkt. Der träge Flußlauf der Spree mit seinen vielen Fließen und den zugehörigen Sumpfgebieten, zerschnitt das Land, erschwerte Kommunikation und Verkehr.
Ergänzt wird diese Barriere im Nord-Westen des Gebietes durch den Lauf der Dahme oder Wendischen Spree, wie sie auch genannt wurde, und durch den Lauf der Berste. Auch deren hauptsächliche Fließrichtung ist die von Süd nach Nord und den mittelalterlichen Zeitgenossen mag dieses alles durchaus als ein Flusssystem erschienen sein. Die alte Bezeichnung Wendische Spree allein deutet daraufhin, denn die Spree ist nicht weniger wendisch gewesen wie die Dahme. Das also ist das eine, das wasserüberqellende, sumpfige welches unsere Landschaft prägte.
Das andere ist das Gegenstück zu Wasser und Sumpf. Es sind die trockene, grundwasserfernen Sandplatten und Endmoränen, welche die Eiszeit dem Lande hinterlassen hat. Trockener armer Sand macht den Hauptteil des nicht wasserbeeinflussten Bodens aus. Nur an wenigen Stellen tritt einigermaßen lehmhaltiger, dem Ackerbau freundlicher Boden auf. Im Luckau-Calauer Niederland etwa und auf der Beeskower Platte. Ansonsten muß sich der Ackerbauer auf armen Sanden plagen und wird mit unsicheren und mageren Ernten belohnt.
Ergänzt wird der arme Acker und der Sumpf durch die Heide oder „Heede“ wie sie auch genannt wird. Die Heede ist hierzulande Kiefernwald auf dürftigstem Standort. Auch dort, wo der Niederlausitzer von Fichten spricht sind immer nur Kiefern gemeint. Man geht in die Heede oder in die Fichten wenn man in den trockenen Kiefernwald geht. Dieser mag in alter Zeit durch Birke und Ahorn ergänzt gewesen sein, ist sicher aber auch deutlich lichter und immer wieder unterbrochen von Ginsterflächen und freien Sanddünen gewesen. Die Waldhutungen mußten Wirkung zeigen und die ist am Wald nicht spurlos vorbeigegangen.
Und noch etwas ergänzt das Landschaftsbild. Im Norden des Zossener, Storkower und Beeskower Landes, unweit des Laufes der Spree reiht sich eine Seenkette aneinander, eingebettet in dunkele Kiefernwälder und grüne Wiesen. Das ist die Landschaft, in welcher wir uns bewegen.
Was wunder, wenn der Mensch, welcher in ihr lebt dem Wasser zugeneigt ist, seinen Lebensunterhalt im Einklang mit dem Wasser sucht. Er muß es. Er kann Ackerbauer zu einem guten Teil nur ergänzend zu dem sein, was ihm das Wasser zu geben vermag. So heißt es dann auch in Bartrings Berichten über die Dörfer der Niederlausitz. Das Dorf hat „Fischnahrung“ oder aber auch „armer Acker, kaum Grünland“ und „entsagt gänzlich jeder Fischnahrung“.
Heute hat sich das Bild, welches die Landschaft der Niederlausitz bietet, gewandelt. Gewiß, die trockenen Kiefernwälder sind geblieben, verschwunden ist jedoch der Sumpf. Man findet ihn nur noch, wenn man ihn sucht. An seine Stelle sind grüne Wiesen getreten. Auch das Wasser ist zurückgetreten. Verschwunden sind die verheerenden Hochwasser der Spree, verschwunden auch manches Wasserloch.
Wer kennt schon die Niederlausitz, was ist dies für ein Land? Selbst der in ihm Geborene, dort Lebende hat zuallermeist nur sehr vage Vorstellungen vom historischen Hintergrund des Landes und seinen Grenzen. Man sieht auf dem verfallendem Bahnhof noch das „NL“ hinter einem Ortsnamen, weiß ihn zu deuten: aha, Niederlausitz. Aber damit hat sich dann auch die Kenntnis erschöpft.
Das hat seine Gründe. Zunächst umfaßt diese Niederlausitz, gemessen an den Nachbarländern Brandenburg und Sachsen nur ein kleines Gebiet. Sodann war es in den Jahren seiner Geschichte immer nur Nebenland, es fehlte ihm an einem zentralen, formenden und festigenden Willen. Wechselnde Fürstengeschlechter nannten sich Markgrafen der Niederlausitz, jedoch war dieses Land ihnen Nebensache, lag fern von Böhmen und Sachsen, war leichte Beute gutsherrlicher Ständeinteressen.
Es gab diese Niederlausitz, jedoch waren bereits im 15. und 16. Jahrhundert große Teile der Neumark, bzw. der Mittelmark (der Raum Beeskow/Storkow u.a.) Brandenburg zugeschlagen, andere gehörten zu Sachsen bzw. zum Erzbistum Magdeburg. Was blieb, war ein zerrissenes Ländchen. Eine Beschreibung von Detlef Miethe, Schlieben.