Der Groschkenberg bei Groß-Mehßow

Von Christian Wilhelm Bronisch, aus „Beiträge zur Geschichts- und Altertumskunde der Niederlausitz. Zweite Lieferung 1838“.

Die Niederlausitz hat keinen Mangel an alten heidnischen Begräbnisplätzen. In der Form kleinerer oder größerer, vereinzelter oder gruppierter Steinkreise, in welchen die Urnen gleichsam eingemauert sind, finden sie sich so häufig, daß nur wenig Stadt- und Dorfgebiete vorkommen möchten, die solche nicht enthalten. Seltener trifft man sie auf ebenem Lande, öfter auf natürlichen Anhöhen an, die davon bald Steinberge (vulgo Stimberge), bald Lutken- oder Lutchenberge genannt werden, welcher letztere Name von den Ljudki, (wendisch und polnisch ljudki – Leutchen, das ist kleine armselige Menschen oder Völkchen), die, der wendischen Volkssage nach, als zwergartige Erdmännchen oder Erdgeister dort ihre kleine unterirdische Haushaltung führen sollen, herzuleiten ist. Merkwürdiger, aber weit seltener und in ihrer inneren Einrichtung wie in ihrer Bestimmung weniger erforscht, sind die großen, von Menschenhänden aufgeführten Hügel, die meist in der Form von Rundwällen mit einer Böschung nach der Mitte vorkommen und gemeiniglich Schanzen genannt werden. Daß sie der heidnischen Vorzeit (wenigstens größtenteils) angehören, ist jetzt keine Frage mehr, wohl aber ist es noch nicht ermittelt, ob sie auf einen germanischen oder slawischen Ursprung zurückzuführen seien, und ob man in ihnen vorzugsweise Grabmähler berühmter Recken und Herrscher, oder überhaupt Opferplätze (die vielleicht auch Tempel trugen) anzunehmen habe.

Denn nicht bloß Opfermaterial und Opfergerätschaften haben sich in tiefen Schichten von Kohlenerde bei Öffnung mehrerer dergleichen Hügel vorgefunden, sondern auch Urnen zwischen Steine eingesetzt, und in größerer Tiefe die Gebeine von unverbrannten Toten. Gebrauch alter Zeiten und Völker war es aber ebensowohl, auf Höhen zu opfern, als mit kolossalen Grabhügeln – den rohen Anfängen des Pyramidenbaues – und reichen Totenopfern, als der letzten Mitgabe, ruhmwürdige Helden, Gebieter und Richter im Tode zu ehren. Wiederholte (freilich mühsame und kostspielige) Erforschungen des Innern solcher ältesten Bauwerke unsres Vaterlandes können allein diese Frage genügend lösen; bis sie geschehen, wird auch schon die Aufzählung und die Beschreibung des äußeren Befundes dieser Hügel und Wälle von Interesse sein.

In den Hügeln dieser Art gehört der sogenannte Groschkenberg bei Groß-Mehßow, an der Südostseite des Dorfes, mitten in der Feldflur gelegen und selbst durchgehends beurbart. Er hat in der Richtung von West nach Ost eine Breite von ungefähr 80 – 90 gewöhnlichen Schritten, und in der Richtung von Süd nach Nord eine Länge von etwa 130 – 140 Schritten und bildet ein ziemlich regelmäßiges, längliches Rechteck. Seine Höhe über der ihn umgebenden, niedrigen und nassen Fläche, mag sich auf 16 – 20 Fuß, und seine Böschung nach der Mitte auf 6 – 8 Fuß belaufen. Da seit Menschengedenken der furchende Pflug und die ausgleichende Egge über seinen Rücken gehen, mag der Abfall nach der Mitte, wie nach Außen mit der Zeit abgenommen haben, und das ganze mehr geebnet worden sein. Die Oberfläche des Hügels besteht aus schwarzer Sanderde, welche ihre Farbe der Mischung mit verrotteten Kohlen verdankt, und abgetrocknet ins Aschgraue verbleicht. Kleine Scherbenstücke liegen auf derselben allenthalben zerstreut, von dem bei Urnen gewöhnlichen schwarzen Bruche.

Da seit einigen Jahren ungefähr der vierte Teil der Hügelplatte zu einem Gottesacker eingerichtet ist, so wird derselbe bei Gelegenheit des Grabaufwerfens bis in die Tiefe von drei Ellen allmählig aufgegraben. So viel dem Referenten bekannt ist, hat man in dieser Tiefe immer nur dieselbe schwarze Kohlenerde, worunter große Stücken von unvermoderter Kohle, (einmal eins von einer Elle Länge), viele Urnenscherben von mancherlei Farbe, als grauer, gelber, bläulicher, jedoch ohne alle Sur von Glasur, und teils glatt, teils mannigfaltig gerippt, nie aber eine ganze Urne vorgefunden. Auch Feldsteine von mittlerer Größe, so daß sie sich leicht mit den Händen tragen lassen, wurden in großer Menge zu Tage gefördert, während sonst diese Feldparzelle fast ganz steinlos ist. Einmal nahm Referent ein gelbliches weiches Gemülle, das eben aufgegraben worden war, nach Hause und nachdem er es getrocknet, ergab sichs, daß es Bruchstücke verwitterter Ziegelsteine oder wenigstens gebrannten Tones von derselben rot geäderten Farbe waren, wie die in der Ziegelsteine, die der Lehm auf dortigem Felde liefert. Auf und neben dem Hügel hat übrigens der Boden nicht den geringsten Tongehalt; also mußte das Material (zu Mauern? oder unterirdischen Gewölben?) anderswoher geschafft worden sein.

Diese Beobachtungen ergeben nun freilich kein anderes Resultat, als daß sich auf diesem beträchtlichen Raume entweder ein Opferaltar mit seinem Zubehör, oder ein bloßes bustum zum Verbrennen der Todten (oder nur eines Todten?) und der ihnen gebrachten Opfer, befunden habe. Wiederholte Opfer und vielleicht auch wiederholte Beisetzungen später Verstorbener mochten erst allmählig den Hügel bis zu seiner jetzigen Höhe aufdämmen; denn nur so läßt sich die tief hinabreichende Kohlenerde erklären, und das Entstehen dieses Walles, ohne Annahme von ungeheurem Aufwand an Kräften und Menschenhänden, vermitteln.

Ein anderes Resultat scheint die grammatische Analyse des Namens Groschkenberg zu ergeben, der in einem, etwa 150 Jahre alten Ackerverzeichnis „Grosiszo“ genannt wird. Dieses Wort ist offenbar das mangelhaft geschriebene Niederlausitz-wendische grozischcze, Oberlausitz-wendische hrodzischczo, = Burgstelle, Burgruine, womit das böhmische hradisstie, russisch gorodischtschje, wind. gradischcze (nach wendischer Schreibart) völlig gleichbedeutend, und welches in dem Wendischen beider Lausitzen die gewöhnliche Benennung für dergleichen Rundwälle ist. Sonach würde der wendische Name, wo nicht das früher Dasein einer Burg, doch wenigstens das einer steinernen oder hölzernen Umfriedigung (nach der Art der russischen hölzernen Festungen = ostrogie) anzeigen, wie denn wirklich im Windischen dasselbe Wort auch Ringmauer bedeutet.

Nun frägt sichs aber, ob der wendische Name aus der sichern Tradizion früherer Jahrhunderte, oder (wie der deutsche „Schanze“) aus der Präsumtion, daß solche Stellen Festungswerke gewesen, hervorgegangen ist. Wie dem auch sei, er bezeichnet keinesweges den Zweck dieser Wälle, ist also kaum der ursprüngliche. Eine Stelle, wo man Todte verbrannte (lateinisch ustrina tumulus) polnisch zglisko, zgliszcze, n. zgorzelina, f. zgorzelisko, würde im Wendischen, das dieselben Wurzelwörter besitzt, ähnlich benannt worden sein, ebenso ein Brandopferplatz, russisch zartwa, zertwa, zertwischtschje, und altslawisch trebnik, und trebischtschje.

Auch ist mir nicht bekannt, daß man dergleichen Wällen den gewöhnlichen wendischen Namen für kleinere Grabhügel: kopitz, illyrisch pokop, slawisch kopacz, böhmisch kopec, altpreußisch kapurn, lettisch kaps, und als Collectiv kapenes, oder jenen für höhere Grabhügel (Hünengräber) polnisch/russisch mogila, mobila, polab. migkola, windisch mogila und gomila, böhmisch mohela, oder auch windisch raka, russisch kurgan, bugor, irgendwo beilegen, noch, daß im wendischen Distrikte die currenten Benennungen für heilige Plätze, Tempel, als wendisch fswjetniza, polnisch swiatnica, oder bozniza wendisch/polnisch (= Gotteshaus), das polnische gonca (= Heidentempel), oder das russisch/böhmisch/windische chram, chramina, Behältnis, Tempel, Steinhaus, (im NL-wendischen chrom, jetzt blos von größeren Gebäuden üblich), auf den genannten Plätzen angewendet würden, während doch letzte Benennung in den vormaligen Preußischen und Litauischen Opferplätzen und Tempeln Romowe oder Ramowe wieder erscheint. Sonach müssen diese Rundwälle sich selbst interpretiren.

Ihre religiöse Bedeutung geht, abgesehen von den Zeugnissen ihrer unterirdischen Archive, schon daraus hervor, daß sie nicht auf niedrigem, grünenden, ja sumpfigem Grunde, an Ufern, auf Inseln der Flüsse errichtet, dort durch Laubwald, hier durch das Wasser abgeschlossen (vergl. das Romowe auf der heiligen Insel in Samaiten, das Heiligthum zu Arcona auf Rügen, das uralte auf der Insel Philae in Aegypten) sich unzugänglich zu machen suchten. Das Unzugängliche aber und Unerreichbare, auch wenn es ein Aeußeres ist, hat den Charakter des Heiligen. Die Frage liegt nahe, ob und wie weit aus dem Vorhandensein, aus der Gestalt und der Ordnung, in welcher diese Opferplätze erscheinen, sich ein Schluß auf die politische Scheidung der Völkerschaften, auf die Mittelpunkte und Grenzen der Gaue, oder wenigstens auf die Centralpunkte der größeren Staaten, die ihre Heiligthümer gern in ihrer Mitte bewahrten, machen lasse.